Im Juni verbrachte ich drei Wochen in Finnland und Schweden, um mich auf die WM in Kuopio vorzubereiten.
Meine Skandinavienreise startete ich direkt im WM-Ort Kuopio.
Laut den Finnen die zweitlebenswerteste Stadt in Finnland. Dieses Ranking mag fürs Wohnen stimmen. Für das Ranking «attraktive OL-Gebiete» in Finnland würde Kuopio bei mir jedoch nicht ganz so weit oben in der Rangliste erscheinen. Keine lieblichen Felsplatten, die aus Sümpfen emporragen, dafür ein Waldboden, der so steinig ist, dass ein Tapeverband um die Füsse bei mir zur täglichen Routine gehört - wie das Zähneputzen.
An die WM gehe ich jedoch nicht, um OL-Tourist zu sein, sondern um schnell durch den Wald zu rennen, egal wie gut mir das Gelände gefällt.
Ich lancierte die heisse Phase der Saison mit zwei Siegen bei den Selektionsläufen in Kuopio. Das gab Mumm und zeigte mir, dass ich auf einem guten Weg bin.
Schaute ich aber über den Tellerrand hinaus, war unschwer zu erkennen, dass ich mich weiterhin strecken muss, um im Vergleich mit der internationalen Top-Konkurrenz auf Augenhöhe zu sein.

Von Kuopio ging es weiter nach Mikkeli zur Jukola-Staffel. Mit meinem norwegischen Klub IL Tyrving verbrachte ich eine tolle Trainingswoche in Mikkeli. Ich trainierte auf den schönsten Trainingskarten der Region, welche mein OL-Herz höherschlagen liessen.
Nebst OL-Trainings absolvierte ich auch ein Intervalltraining auf den höchsten Hügel der Stadt, den Skihügel von Mikkeli. Der Hügel war gerade hoch genug, dass ich nach 5×30 Sekunden Hügelsprints (mit runterrennen in der jeweils 30 Sekunden dauernden Pause) auf dem höchsten Punkt ankam.
Auf Nacht-OL verzichtete ich in dieser Woche, obwohl ich für die 2. Strecke an der Jukola-Staffel vorgesehen war. Es war mein Wunsch, nicht die letzte Strecke laufen zu müssen, da ich nicht drei Langdistanzrennen innerhalb von elf Tagen laufen wollte. Dieses Programm wäre mir zu hart gewesen und mit der 2. Strecke, die etwas länger als eine Stunde dauerte, konnte ich das Programm entschärfen. Mein Ziel ist es, an der WM in Topform zu sein und nicht schon im Vorfeld zu viele Körner zu verschiessen.
So kam ich zu meiner Nacht-OL-Premiere an der grössten OL-Staffel der Welt. Die Stimmung am Samstagabend um 23 Uhr, als 1700 Läufer in den Wald stürmten, war elektrisierend. Ich freute mich richtig darauf, die Lampe zu montieren und in den Wald zu starten.
Nach langem Einlaufen (der Bahnleger verschätzte sich deutlich – statt 73 Minuten hatten die schnellsten Läufer 90 Minuten auf der 1. Strecke) konnte ich nach einer hervorragenden ersten Strecke von Benjamin Wey rund eine Minute hinter der Spitze übernehmen. Mein Start war richtig «shaky». Es verwunderte mich jedoch nicht, dass ich Probleme mit dem Distanzgefühl hatte, denn nicht ein einziges Mal trainierte ich diesen Winter mit der Nachtlampe. Je länger der Lauf dauerte, desto besser kam ich in Fahrt.
Nach etwas mehr als der Hälfte des Rennens konnte ich zur Spitze aufschliessen, mich kurz vor Schluss von meinen Verfolgern absetzen und in Führung an meinen Teamkollegen übergeben.
Es war das erste Mal überhaupt, dass ich im Tyrving-Dress eine Karte an einen Läufer übergab. Seit ich für Tyrving laufe (seit 2017), bin ich stets die letzte Strecke gelaufen.

Meine Kollegen zeigten tolle Leistungen und am frühen Sonntagvormittag lief unser Schlussläufer nach sieben Strecken auf Rang 7 ein.
Ich muss gestehen, dass ich den Zieleinlauf wortwörtlich verschlief. Nach meiner Strecke ging ich zurück in die Unterkunft und versuchte, noch so viel Schlaf wie möglich zu erwischen. Denn das Programm nach der Jukola war dicht gedrängt.
Am Sonntagmittag reiste ich nach Helsinki und flog nach Stockholm. Am Montag erfolgte die Weiterreise (5 Stunden im Auto) nach Idre Fjäll, wo am Mittwoch bereits der erste Weltcuplauf der Saison auf dem Programm stand.

Idre Fjäll ist der Ort, an dem ich 2004 das erste Mal mit Karte und Kompass in einem schwedischen Wald OL machte.
Ein zweites Mal stattete ich Idre Fjäll einen Besuch ab, als der OL-Weltcup das letzte Mal dort stattfand – im Jahr 2021.
Nun, vier Jahre später, war Idre Fjäll erneut der Schauplatz für spannende Weltcupläufe. Die Läufe waren die erste und letzte Standortbestimmung vor der WM auf Weltcupniveau.
Zudem war es die letzte Chance, sich im Schweizer Team für die WM zu empfehlen. Der Stellenwert der Läufe war folglich hoch.
Die Qualifikation für die Finals überstand ich ohne nennenswerte Zwischenfälle. Das Gelände war vom Feinsten. Es war nicht besonders schwierig, aber traumhaft schön.
Tags darauf «langweilte» ich mich, bis ich endlich um 18 Uhr in den Wald durfte. Der Start zur Langdistanz erfolgte erst am Abend. Dieses Mal hatte ich nicht die Absicht, eine Nachtlampe anzuziehen, wie noch an der WM-Staffel 2021 in Tschechien. So hoch im Norden, rund um Midsommar, wird es bekanntlich kaum richtig dunkel.
Den Einstieg verschlief ich dennoch ein wenig. Erst im Mittelteil fand ich einen guten Rhythmus. Im Ziel war ich dann überrascht, dass ich mit dieser Leistung auf Rang zwei laufen konnte.

Idre Fjäll und Mitteldistanzrennen, das passt bei mir nicht zusammen. Wie vor vier Jahren war ich auch dieses Jahr fehleranfällig und fand kein Rezept, in den diffusen Hängen mit schlechter Sicht guten OL zu machen. Im Ziel musste ich mich mit dem 22. Rang zufriedengeben.
In der abschliessenden Staffel war die Post leider abgefahren, ehe ich ins Rennen eingreifen konnte. Die Spannung war daher bereits vor dem Start verflogen. Dennoch startete ich offensiv und wollte noch so viele Teams wie möglich einholen. Dabei überdrehte ich den Motor und nahm mir zu wenig Zeit für die Richtungskontrolle. Ein zeitraubender Richtungsfehler war die Folge.
Ich zügelte mich in der Folge und versuchte, technisch sauber ins Ziel zu laufen. Das gelang mir anschliessend recht gut, und so schloss ich den Weltcupblock positiv ab, auch wenn wir uns mit der Staffel resultatmässig nicht dort platzierten, wo wir hinwollten.

Nach diesen drei Wochen freute ich mich auf die Heimkehr in die Schweiz. So lange war ich noch nie weg von meiner Familie und ich freute mich sehr darauf, sie wieder zu sehen.
Zu Hause konnte ich mich mental gut erholen und genoss die Zeit mit der Familie sehr.
Physisch machte mir die Temperaturumstellung (10 Grad in Idre Fjäll zu 30 Grad in Bern) ein wenig zu schaffen, und ich brauchte einige Trainings, bis ich mich an die Hitze gewöhnt hatte.
Nach einer Woche zu Hause bin ich nun erneut nach Finnland gereist. Am 8. Juli werde ich zu meiner 13. OL-WM starten und in allen Disziplinen (Mittel, Lang und Staffel) um die Medaillen kämpfen. Die WM in Finnland war seit der Heim-WM 2023 eine grosse Motivation für mich. Entsprechend gross ist meine Vorfreude.
In weniger als einer Woche geht es los. Ich bin bereit!
