Nach einer wohlverdienten Trainingspause startete ich Anfang November mit dem gezielten Training für den Sevilla Marathon. Rund 3 ½ Monate richtete ich mein Training auf den 23. Februar aus. «Aller Anfang ist schwer» - so war es auch bei diesem Trainingsstart. Mein Kommentar im Trainingstagebuch nach der ersten Trainingswoche lautete «War nicht nice diese Woche. Zu viel Muskelkater die ganze Zeit. Es werden bessere Zeiten kommen.»

Und es kamen bessere Zeiten… Wiederum absolvierte ich mein Training von der Haustüre aus rund um den Flughafen in Belp. Die Meteorologen sprachen von einem milden Winter, bei dem die Durchschnittstemperatur im Schnitt fast 2 Grad zu warm waren. Diesen Eindruck hatte ich definitiv nicht. Zahlreiche Male war es eher ungemütlich kalt und windig rund um den Flughafen in Belp. Die dicke Nebeldecke liess oft keinen Sonnenstrahl hindurch und der penetrante Geruch des Kerosins war aufgrund dieser Nebelsuppe intensiver als auch schon. Auf mein Training hatte dies jedoch keinen Einfluss. Ich konnte das Training wie geplant durchziehen und war den ganzen Winter über weder krank noch verletzt.

Dies war wieder einmal die Basis, dass die Form von Woche zu Woche besser wurde und ich dem Sevilla Halbmarathon am 26. Januar zuversichtlich entgegenblickte. Ich nutzte den Halbmarathon als eine erste Standortbestimmung. Mit einer Zeit von 61:46 stellte ich eine neue persönliche Bestzeit auf. Das Rennen wird mir aber nicht speziell in Erinnerung bleiben. Nieselregen, wenige Zuschauer und ein einsames Rennen ab Kilometer 10 liessen mein Herz nur wegen der Anstrengung höherschlagen.

Auch der letzte Trainingsmonat verlief nach Plan. So war ich auf den Leistungstest am Dienstag vor dem Marathonsonntag gespannt. Vor dem Test war ich guten Mutes. Doch alsbald das Laufband die Zielgeschwindigkeit von 20 km/h erreichte, war ich am Leiden. Zu allem Übel kam hinzu, dass es mir schwarz vor den Augen wurde und ich mich hinsetzten musste, als wir den Test nach 20 Minuten beendeten. Die Laktatwerte waren für die angestrebte Pace von 3.00 min/km an der oberen Grenze und der Puls deutlich zu hoch für dieses Tempo. Selbstredend war es nicht gerade der Boost für mein Selbstvertrauen fünf Tage vor dem Marathon. Die Reise nach Sevilla nahm ich daher mit gemischten Gefühlen in Angriff. Mich beschäftigte die Frage, in welche Richtung sich meine Form und mein Gefühl in den letzten Tagen entwickeln würde.
Am Tag vor dem Marathon fühlte ich mich soweit fit und gesund. Ich hielt an meiner Taktik fest, dass ich mit der Gruppe mitlaufen wollte, die einen 3er Schnitt anstrebte, was eine Zielzeit von 2.06.30 bedeutet hätte. Die Dichte an Läufern, die sich eine solche Zielzeit zutrauten war enorm. Wir waren eine grosse Gruppe, die bei Kilometer 10 nach 29.58 Minuten passierte. Bei den Verpflegungsstationen herrschte jeweils Ausnahmezustand. Keiner wollte seinen Bidon verpassen und so kam ich jeweils ein wenig aus dem Rhythmus. Einem Sturz konnte ich, im Gegensatz zu anderen Läufern in meiner Gruppe entgehen.

Zum Thema Verpflegung passend noch folgende Episode: Wir haben angefragt, ob es möglich wäre, dass mein Coach Viktor Röthlin mit dem Velo jeweils von Verpflegung zu Verpflegung fahren darf, damit er mir den Bidon reichen kann. Unsere Anfrage wurde vom Organisator abgelehnt. Am Wettkampftag durfte diesen Service aber die Startnummer 1 geniessen. Soviel dazu, dass alle die gleichen Bedingungen haben…
Eine weitere Episode zum Thema Verpflegung betrifft die Orte der Verpflegungsstationen. Beim offiziellen Meeting am Vorabend wurde uns mitgeteilt, dass die Verpflegungen jeweils unmittelbar nach dem Kilometerschild alle 5 Kilometer folgen würden. Ich staunte also nicht schlecht, als die erste Verpflegung bereits kurz nach Kilometer 4 startete. Bei der 15-Kilometermarke wollte und wollte die Verpflegung hingegen nicht kommen und ich traf sie erst ab Kilometer 16.5 an. Bisher war ich mir vom OL und von den zwei gelaufenen Marathons eine andere Präzision gewohnt.
Die zufällig gewählten Orte der Verpflegungsstationen trug nicht dazu bei, dass das Laufen in der Gruppe ruhiger wurde.
Ob das der Grund war, warum unser Pacemaker in dieser Phase des Rennens seinen Job nicht optimal erledigte, oder ob es ein wenig Wind oder der Anstieg der Temperatur war, kann ich nicht abschliessend sagen. Leider verloren wir in dieser Zeit 30 Sekunden auf die angestrebte Zielzeit. Ich selber konsultierte in dieser Phase des Rennens die Uhr nicht. Nachdem der Pacemaker die 5 und 10 Kilometermarke perfekt passierte, hatte ich volles Vertrauen, dass wir Kilometer 30 in genau 90 Minuten passieren würden (was vorgesehen war).
So war ich bei Kilometer 20 an Position 44 und 30 Sekunden hinter der angestrebten Zielzeit. Als der Pacemaker nach 27 Kilometern ausstieg, wurde das Rennen in unserer Gruppe richtig lanciert. Einige Läufer drückten aufs Tempo und die Gruppe zerfiel im Handumdrehen. Ich hängte mich hinten beim Schnellzug an und musste einiges Investieren. Das Tempo erhöhte sich während gut 3 Kilometer auf 2.55min/km.

Vor dem kulturellen Highlight der Strecke, dem Plaza de Espagna, lief unsere Gruppe auf die Gruppe auf, die eine Zielzeit von 2.04.30 angepeilt hatte. Das war der beste Moment des Rennens für mich. Wir kamen von hinten mit mehr Speed und setzten uns direkt an die Spitze und sprengten auch diese Gruppe.
Ich realisierte, dass ich mich noch immer gut fühlte und viele andere Läufer dem hohen Tempo Tribut zollen mussten. So kam es, dass ich mich langsam aber stetig nach vorne arbeitete. Auch ich musste die letzten Reserven mobilisieren in dieser Phase. Ich machte mir keine Gedanken, an welcher Position ich mich zu dieser Zeit befand. Den Überblick hatte ich sowieso nicht mehr und Informationen über meine Position bekam ich nicht. Als ich die Ziellinie nach 2.06.48 querte wusste ich nicht, dass ich ganz knapp das Podest verpasst hatte. Ich war aber höchst erfreut, dass ich in einem internationalen Top-Feld Vierter wurde und meine persönliche Bestzeit um beinahe eine Minute senken konnte, obwohl ich beim Halbmarathon 30 Sekunden Rückstand auf die PB hatte.

Glücklich aber erschöpft genoss ich die Stimmung im Zielbereich. Mit einem solch positiven Erlebnis startet man gerne in die Saison. Eine Woche nach dem Marathon durfte ich im Sportpanorama über dieses Erlebnis berichten: Link zur Sendung.
Nun folgt wieder der Wechsel zum OL-Sport. Mein Plan steht und die ersten Trainings mit Karte und Kompass habe ich bereits absolviert. Dieses Mal ist das Training auf die WM-Woche vom 8.-12. Juli ausgerichtet. Die Herausforderung eine ganz andere als beim Marathon, die Vorfreude aber nicht minder gross!