Der Tag nach der Lang-SM stand ganz im Zeichen der Erholung. Ich wollte mich bestmöglich von den Strapazen erholen und neue Energie tanken, für den Weltcupblock in Norwegen. Dies sollte nicht zu Hause auf dem Sofa erfolgen, sondern auf dem Gummiboot von Thun nach Bern. Ich stellte mich auf einen ruhigen Nachmittag ein und freute mich darauf, die Aare hinunterzugleiten und die Füsse im kalten Aarewasser zu baden.
Bei der einzigen heiklen Passage – der berühmt berüchtigten Uttigenschwelle – erwischen wir im Nachhinein gesehen nicht die ideale Linie. Nicht ein Eisberg wie bei der Titanic stellte sich unserem Boot in den Weg, sondern ein mieser Stein versteckte sich knapp unter der Wasseroberfläche und wartete nur darauf, mit meinem rechten Knie «Eiertütschete» zu spielen. Ich muss neidlos anerkennen: Der Stein gewann deutlich!
Das Malheur war äusserst schmerzhaft und hatte zur Folge, dass mein rechtes Knie kurzfristig die Übernamen Tennisball und Luftballon bekam.
Nach zwei Tagen Ruhe nahm ich meine Reise in den Norden trotzdem auf und hoffte, dass der weiche Waldboden in Skandinavien OL-Trainings zulassen würde.
Ganz ohne Schmerzen waren die Vorbereitungstrainings für den Weltcup nicht, aber es ging deutlich besser, als ich es mir noch vor der Abreise vorgestellt hatte. Dumm nur, dass ich bei einem dieser Trainings auch noch das linke Knie anschlug. Bei den folgenden Trainings schmerzten folglich beide Knie, aber glücklicherweise in einem Ausmass, welches OL-Trainings zuliess. Drei Tag vor dem Weltcupstart in Norwegen absolvierte ich meine letzte schnelle Einheit ohne grosse Beschwerden. Doch am nächsten Morgen präsentierte sich ein anderes Bild. Nun war mein linkes Knie über Nacht angeschwollen. Wenn ich vom rechten Knie von Tennisball und Luftballon schrieb, so glich das linke Knie zwischenzeitlich einem Gymnastikball oder einem Heissluftballon. So lag ich zwei Tage vor dem Weltcup im Bett und meine Gedanken kreisten einzig um die Frage, ob ein Start sinnvoll sei oder nicht. Das Positive bei der Entscheidungsfindung war, dass ich mich auf die eben erst gemachten Erfahrungen bei meinem rechten Knie stützen konnte…
Einen Tag vor dem Wettkampf entschied ich mich, nach Rücksprache mit dem Arzt und dem Trainer, es zu versuchen.
Der Wettkampf ging erstaunlich gut! Nach 80 Minuten OL-Genuss pur überquerte ich die Ziellinie auf Rang 3. Und noch besser, das Knie schwoll über Nacht nicht wieder an! So stand nichts im Wege die weiteren Wettkämpfe unter die Füsse zu nehmen.
Tags darauf lief ich beim Prolog nicht mehr mit der gleichen Aggressivität. Einerseits spürte ich die Strapazen vom Vortag und andererseits bekundete ich technisch, im doch deutlich dichteren Tannenwald als am Tag zuvor, mehr Mühe. Meine Ausgangslage für den Jagdstart vom Nachmittag war nach Zwischenrang 19 alles andere als optimal. Ich sah mich gezwungen von Anfang an voll ans Limit zu gehen. Dank einem furiosen Start konnte ich bald zur Spitze aufschliessen. Die Aufholjagd kostete mich jedoch einiges an Körnern. Während dem Rennen machten sich bereits einige Krämpfe bemerkbar und als es dann ans Eingemachte ging, war mein Tank definitiv leer. Nur zu gern wäre ich bei diesem spektakulären Schlussspurt auch noch mitgesprintet… Ich überquerte die Ziellinie 11 Sekunden hinter der Spitze und musste mich mit Rang 9 zufriedengeben.
Bei der abschliessenden Staffel waren wir Nebendarsteller, ja vielleicht sogar nur Statisten. Bereits nach der ersten Ablösung lagen wir weit hinter der Spitze zurück und verloren in der Folge kontinuierlich an Zeit. Rang 11 für Schweiz 1, da muss noch etwas gehen, falls wir nächstes Jahr an der WM konkurrenzfähig sein wollen.
Um diese Lücke zu verkleinern trainierten wir in der darauffolgenden Woche rund um Sarpsborg, dem WM-Hauptort vom nächsten Jahr. Doch nach vier Wettkämpfen in drei Tagen waren die Beine inklusive Knie und Kopf am Limit. Es war also kein leichtes, am Morgen aus dem Kajütenbett zu steigen und sich sogleich wieder für ein weiteres Training zu motivieren. Dass ich im Trainingslager ein wenig am Limit lief, zeigte sich, als ich mich gewaltig nerven konnte wenn die Karte nicht mehr aktuell war oder die Bahn nicht meinen Vorstellungen entsprach…
Zurück in der Schweiz war erstmal Erholung angesagt (dieses Mal auf dem Sofa und nicht auf dem Boot). Der Wechsel vom weichen skandinavischen Waldboden zurück auf die Teerstrassen und Kieswege in der Schweiz machte mir dann zu schaffen. Eine Woche lang Dauermuskelkater in den Waden war die Folge. Doch just vor den Testläufen für das Weltcupfinal, habe ich die Kurve wiedergekriegt und ich fühle mich bereit für die finale Phase dieser Saison. Mit zwei Siegen bei den internen Testläufen habe ich meine Ambitionen für das Weltcupfinale angemeldet!