Da ich im Jahr 2022 nur wenige Stunden mit Karte und Kompass in Wäldern unterwegs war, bestand einiges an Aufholbedarf, um meine OL-Technik wieder auf Vordermann zu bringen. Meine Coaches verordneten mir daher einen ersten langen OL-Block im Februar. Es war für mich keinesfalls ein «Müssen». Im Februar nach Spanien und Portugal zu reisen, assoziiere ich grundsätzlich mit positiven Attributen…
Aller Anfang ist schwer: Der Langdistanzwettkampf zu Beginn des Trainingslagers am Maximus O Meeting erinnerte mich an dieses Sprichwort. Der Lauf wurde zur Tortour. Meine Arroganz zu Beginn des Rennens im Umgang mit der Karte war fatal. Von allen relevanten technischen Leistungsfaktoren hätte es ein wenig mehr gebraucht: ein wenig mehr Routenplanung, ein wenig mehr Kompasseinsatz, ein wenig mehr Präzision. Nach drei Posten war mein Fehlerkontingent bereits auf vier Minuten angewachsen und ich begann zu realisieren, dass ich mehr in die Technik investieren sollte und die Posten einem nicht entgegen geflogen kommen.
«Hast du kein Glück mit der Karte, dann kommt auch noch motorisches Pech dazu»: Auch das erlebte ich während dem Wettkampf. Auf dem Weg zu Posten 12 schwartete es mich über eine Steinmauer. Glücklicherweise blieb «alles» ganz. Einzig mit der Schwellung am Knie konnte ich während den nächsten Tagen «Wellenbad» spielen. Nach diesem Sturz ging physisch nicht mehr viel. Ich war bereits komplett am Ende. Die Krux an der Geschichte: Zu diesem Zeitpunkt waren erst 37 Minuten vorbei. Knapp eine Stunde später erreichte ich ausgepowert die Ziellinie. Am Nachmittag nach dem Wettkampf brachte ich nicht mehr viel auf die Reihe…
Die Routine, technisch wie auch physisch war abhandengekommen. Dies war spätestens nach dem Langdistanzwettkampf offensichtlich.
Tags darauf funktionierte über die Mitteldistanz jedoch bereits wieder vieles ordentlich. Auch wenn die beiden Wettkämpfe zeitlich nur 24 Stunden auseinander waren, lagen Welten zwischen meinen Leistungen! Das gab ein gutes Gefühl und einiges an Sicherheit zurück!
Einen OL-technischen JoJo-Effekt erlebte ich aber zwei Tage später beim Nacht-Training mit Massenstart.
Wiederum brachte ich zu wenig Ruhe in meinen Lauf, las zu selten die Karte und war stets am Limit, den Kartenkontakt zu verlieren.
Als ich vor einem grossen Zaun stehen bleiben musste (der da nicht sein sollte, laut meinen Kartenlesekünsten…) wusste ich, dass ich die Kartenkontrolle bereits viel früher verloren hatte als mir lieb war und ich mich nicht ansatzweise nahe der Idealroute befand. Im ersten Moment ärgerte ich mich, dass ich so ungestüm agierte. Als ich mich umdrehte und realisierte, dass mir noch ein knappes Dutzend Läufer ins Verderben gefolgt waren, empfand ich den Fehler als gar nicht mehr so schlimm...
Von Spanien ging es weiter nach Portugal ins Trainingslager mit dem Nationalkader. Mit zunehmender Anzahl an angelaufenen Posten, fühlte ich mich sicherer auf der Karte. Am Ende des Trainingslagers in Portugal diskutiere ich wohl mehr über die kalten Temperaturen, den unerwarteten Schneefall oder das grossartige Buffet in unserem Hotel, als über weitere grossangelegte Suchaktionen.
Im Trainingslager war die Intensität sehr hoch. Dass sich dieses Programm positiv auf meine Form ausgewirkt hat, konnte ich an der Cross-SM unter Beweis stellen. Zum 3. Mal in meiner Karriere wurde ich Schweizermeister im Crosslauf. Die «Cross»-Strecke wurde ihrem Namen nur knapp gerecht. Nach dem KO-Sprint WM Titel vom letzten Sommer, war es ein weiterer Titel, der kein Schuheputzen zur Folge hatte.