Die letzte Phase der Saison 2016 ermöglichte aufgrund des dichtgedrängten Programms nicht viel Spielraum. Das Programm war voll bepackt mit Trainingslagern und Wettkämpfen.
Meine Schlussoffensive begann im Trainingslager in Estland. Wir trainierten bereits extrem intensiv während der ganzen Woche, ehe zum Abschluss des Trainingslagers zwei Wettkämpfe auf uns warteten. An den Suunto Games konnte ich ein erstes Mal an einem topbesetzen Wettkampf beweisen, wie gut ich das estnische Gelände bereits beherrschte. Trotz des Trainingslagers in den Beinen gelangen mir zwei richtig gute Läufe. Ich klassierte mich jeweils auf dem 2. Rang.
Noch besser machte ich es eine Woche später. Ich flog für ein Wochenende nach Stockholm, um meine Abschiedsvorstellung an der 25-Manna Staffel für meinen schwedischen Klub OK Tisaren zu geben. Nach zehn Saisons bei OK Tisaren wollte ich mich einem neuen Verein anschliessen, der noch ein wenig höhere Ambition hegt, als das bei OK Tisaren der Fall war. Mit IL Tyrving habe ich einen zu mir passenden Verein gefunden. Den in Oslo beheimateten Klub werde ich ab nächster Saison repräsentieren.
An der 25-Manna Staffel stellte ich mich also noch ein letztes Mal voll in den Dienst von OK Tisaren. Nach 24 von jungen bis alten Klubmitgliedern gelaufenen Strecken nahm ich an 6. Position die Schlussstrecke in Angriff. Bei Rennhälfte unterlief mir ein Fehler und dabei kam es zu einem grossen Zusammenschluss von mehreren Teams. Das Tempo wurde gegen Ende des Rennens enorm hoch. Viele mussten bereits frühzeitig Federn lassen. Zu dritt steuerten wir die letzten Posten an. Auch wenn ich den Anschluss zum letzten Posten ein wenig verlor, konnte ich mit einem fulminanten Schlussspurt als erster der Gruppe auf Rang 5 einlaufen. Das ganze Team war wegen meinem Zielspurt aus dem Häuschen. Auch ich hatte meine wahre Freude daran. Es war wirklich ein Zieleinlauf für die Galerie…
Am Abend verzichtete ich darauf die Korken knallen zu lassen. Ich lief statt dessen am nächsten einen Mitteldistanz Wettkampf. Eine Woche vor dem Weltcupfinal konnte ich mit einem weiteren Sieg nochmals Selbstvertrauen tanken. Der Kurz-Trip nach Stockholm hatte sich auf jeden Fall gelohnt.
Das grosse Ziel im Herbst war das Weltcupfinal in Aarau. Ich startete mit 128 Punkten Vorsprung auf Daniel Hubmann in die letzten zwei Rennen. Eine komfortable Ausgangslage war es allemal. Ich wusste aber auch um die schier endlos scheinende Anzahl an Podestplätzen von Hubmann an Weltcuprennen in der Schweiz.
Doch bevor wir uns gegenseitig um Weltcuppunkte duellierten, starten wir am Freitag zusammen zur Sprintstaffel mit Rahel Friederich und Judith Wyder.
Im Telli-Quartier in Aarau wurden wir unserer Rolle als „Dream-Team“ gerecht und gewannen das Rennen und zugleich auch den Gesamtweltcup in der Sprintstaffel-Wertung.
Das Langdistanzrennen im Roggehuse wurde zum pièce de résistance. Ein Aargauer Mittellandwald verspricht per se nicht zum ultimativen OL-Erlebnis zu werden. Zudem zehrt eine Langdistanz am Ende einer langen Saison besonders an den Kräften.
Ich wollte physisch nochmals meine Reserven mobilisieren und technisch auf mein OL-Handwerk verlassen, welches ich in den Jugendjahren im Aargau erlernt hatte.
Der Heimvorteil und der Gesamtweltcupsieg vor Augen waren zusätzliche Motivationsspritzen. Ich setzte um, was ich mir vorgenommen hatte. An diesem Tag konnten mich auch nicht ein Dornenstrang auf Gesichtshöhe (!), ein kleiner nachrennender aggressiver Hund oder drei Pferde welche mir den Weg versperrten, aus dem Konzept werfen.
Einzig die Kraft ging mir gegen Ende aus. Ich mogelte mich gerade noch unbeschadet ins Ziel. Viel länger hätte es von meiner Seite her nicht mehr gehen dürfen…
Bei strahlendem Sonnenschein lief ich in Aarau zum Tagessieg und sicherte mir damit zum 3. Mal in meiner Karriere den Gesamtweltcup!
Getrübt wurde meine Stimmung von der Tatsache, dass Daniel Hubmann sowie auch mein Bruder an diesem Tag verletzungsbedingt Forfait geben mussten.
Trotzdem war Schaulaufen angesagt für den abschliessenden Sprint in der Altstadt von Aarau. Was nach einem gemütlichen Sonntagsprogramm klingt, konnte ich nicht so gelassen umsetzten. Es machte mich nur noch nervöser, dass viele Augen auf mich gerichtet waren und zudem viele Freunde und Bekannte nach Aarau pilgerten, um mir die Daumen zu drücken.
Ich meisterte auch das letzte internationale Sprintrennen der Saison mit Bravour und klassierte mich auf Rang 2. Damit egalisierte ich mein schlechtestes internationales Sprintresultat der Saison, konnte damit aber gut leben. Um den Sieg konnte ich an diesem Tag nicht mitreden. Dazu entschied ich mich zu oft für eine langsamere Route und auch die nötige Spritzigkeit fehlte mir für eine noch bessere Zeit.
Um nach dem Lauf noch mit meinen Fans zu diskutieren blieb keine Zeit. Schnurstracks ging es nach dem Lauf ins Fernsehstudio nach Zürich. Um klarzustellen: Es war nicht eine neue Talkshow mit Joker (der Gegenspieler von Batman in Anlehnung an meine Narben im Gesicht) sondern das gute alte Sportpanorama. Als sportbegeistertes Kind wollte ich diese Sendung nie verpassen. Das führte sogar teilweise dazu, dass der Fernseher beim Nachtessen laufen durfte. Das war sonst wirklich bei keiner anderen Sendung möglich!
Sendung Sportpanorama
Eine Woche später wurde in le Lieu die nationale Saison mit der Sprint-SM und einem nationalen Lauf beendet. Mit zwei deutlichen Siegen verabschiedete ich mich in die Saisonpause. Was mich besonders freute war der Sieg an der Sprint-SM. Es war der Einzel-SM Titel der mir in meinem Palmarès noch fehlte. Es war ein zäher Kampf bis diese Auszeichnung zustande kam. Zuerst Bedarf es einem WM- und einem EM- Titel sowie zehn Weltcupsiegen, ehe ich diese Lücke in meinem Palmarès schliessen konnte.
In der Trainingspause bleibt nun auch Zeit für andere Sachen. Beispielsweise werde ich am kommenden Montag, 7. November an der Reha Rheinfelden einen Vortrag über mein Leben als Spitzensportler halten. Alle Interessierten sind herzlich willkommen! Infos gibt’s hier.