Nach zwei Monaten Laufabstinenz war es so weit. Ich startete wieder mit dem Lauftraining. Das Antigravitationslaufband «Alter-G» war das ideale Trainingsgerät für den Wiedereinstieg. Durch die spezielle Luftdruck-Technologie kann beim Alter-G Laufband das Körpergewicht um bis zu 100 Prozent verringert werden. Ich startete bei meinem ersten Training mit der Belastung von 40% von meinem effektiven Körpergewicht. Nach den ersten lockeren Schritten erhöhte ich die Geschwindigkeit des Laufbandes. Auf der Anzeige des Laufbandes stand «8». Ich ging davon aus, dass es sich dabei um 8 km/h handelte. Mit 40% des Körpergewichts ist die Belastung auf die Gelenke und auch auf das Herz-Kreislaufsystem sehr klein. Im Grunde genommen ging es nur darum, den Beinen die Laufbewegung wieder schmackhaft zu machen. Ausser Puste kam ich dabei nicht. «8» fand ich noch zu langsam für meine Reha-Pace und folglich blieb ich auf dem Tempo Knopf bis er sich bei «12» nicht mehr erhöhen liess. Die Beine musste ich bereits ordentlich schnell bewegen, am leistungsmässigen Limit war ich mit diesem Setting aber nicht.
Nach dem ersten Training auf besagtem Laufband klagte ich zu Hause bei Sarina, dass Rennen schon sehr anstrengend sei und man die Beine richtig schnell bewegen müsse. Sie nickte ab, aber eine grosse Diskussion daraus ergab sich nicht.
Beim zweiten Training auf dem Alter-G wählte ich fast das gleiche Setting aus. Anstatt 40% des Körpergewichts startete ich bei 45% und erhöhte das Tempo nach einigen Minuten wiederum auf «12». Während dem Joggen sah ich seitwärts in einen Spiegel und wunderte mich noch, dass die Kadenz bereits ordentlich hoch war. Doch mit den «12» geglaubten km/h war ich immer noch nicht zufrieden und wollte das Tempo erhöhen. Im Hinterkopf hatte ich dabei das Ziel, dass ich in ein paar Wochen mit 15 km/h bei den extensiven Dauerlaufen unterwegs sein wollte. Höher als «12» liess sich die Geschwindigkeit jedoch nicht einstellen, egal wie oft, wie lange und wie intensiv ich auf den Tempoknopf drückte.
Nach dem Training fragte ich den Therapeuten, ob man das Laufband nicht schneller als 12 km/h einstellen könne. Er schaute mich fragend an und sagte, dass die maximale Geschwindigkeit des Laufbands 19 km/h sei. Ich erwiderte, dass ich aber nicht über «12» stellen konnte. Da seufzte er laut und meinte, dass er dem Techniker das letzte Mal eigentlich gesagt hatte, dass er die Masseinheit von Meilen/Stunde auf Kilometer/Stunde hätte wechseln sollen…
Da fiel es mir wie Schuppen vor die Augen: Nicht wie geglaubt auf 12 km/h, sondern auf 12 miles/h trainierte ich. Der süffisante Unterschied zwischen 12 km/h und 12 miles/h sind doch sagenhafte und relevante 7.31 km/h. Kein Reha-Schongang, keine adäquate Steigerung des Tempos: Vom ersten Training an war ich mit einer Geschwindigkeit von 19.31 km/h unterwegs. So viel zu meinem Tempogefühl nach zwei Monaten Laufpause…
Ich war nach dem Aufdecken dieses grossen Missverständnis zwischen mir und der Laufbandanzeige sehr erleichtert. Ich machte mir nämlich bereits grosse Sorgen, wie hart es werden würde, wenn ich bei 100% Körpergewicht wieder 20 km/h rennen müsste…
Da mein lädierter Fuss die forsche Belastungssteigerung schadlos überstanden hatte, konnte ich mich über den Vorfall herzhaft amüsieren…
Mit 100% Körpergewicht, oder vielleicht auch 105%, im Vergleich zu vor der Verletzung, nahm ich nach 10 Trainings auf dem Alter-G-Laufband, das normale Lauftraining wieder auf.
Ich erwartete, dass die ersten Lauftrainings kein Genuss werden würden. So war es dann leider auch. Muskelkater plagte mich während mehreren Wochen. Dafür war es schön zu sehen, wie ich Tag für Tag Fortschritte machte.
Die Fortschritte stellte ich bei den Stadtläufen in Sion und Zürich unter Beweis. Auch wenn es sich noch harzig anfühlte, so war ich sehr zufrieden mit dem Feedback. Nach nur zwei Intervalltrainings zu Fuss, hatte ich auch keine grösseren Erwartungen gehabt.
Der Trainingsmonat Dezember liefert mir eine wichtige Erkenntnis: Ich bin wieder voll zurück im Training. Das Jahr 2023 kann kommen!