Seit Mitte März steht die OL-Welt still. *Abgesagt* steht hinter den Terminen der Wettkämpfe wie Emojis hinter Textnachrichten. Trotz oder gerade wegen der Absage sämtlicher Sportveranstaltungen war ich im letzten Monat mehr in den Medien, als wenn ich während einer normalen OL-Saison Sieg um Sieg eingefahren hätte.
Der Grund: Ich rannte 50 Kilometer auf einem Laufband in 2:56:35, was Weltrekord bedeutete! Es waren zwar weder die spannendsten drei Stunden meines Lebens noch die sportlich grösste Herausforderung, dennoch war es ein klasse Projekt, bei dem ich 8500.- an Spenden für die Glückskette sammeln konnte.
Videoübertragung
Der Weltrekordversuch war mein letzter sportlicher Höhepunkt und könnte es für eine längere Zeit auch bleiben. Alle Weltcup-, EM- oder WM- Läufe in diesem Jahr wurden inzwischen abgesagt. Auf den nächsten internationalen Lauf auf Weltcupniveau muss ich mich noch länger gedulden (13.-16. Mai 2021).
Während einer normalen Saison bin ich es mir normalerweise gewohnt, von Wettkampf zu Wettkampf und damit von Wochenende zu Wochenende zu optimieren. Optimiert wird bei mir aber momentan eher die ideale Temperatur beim Waffeleisen, nicht aber das Training- und Wettkampfprogramm. Wie sollte ich mein Trainingsprogramm optimieren können, wenn ich gar nicht weiss, auf was ich hintrainieren muss?! Diese Ungewissheit zehrt ein wenig an meiner Motivation, weiterhin Vollgas zu geben!
Ich sollte nicht zu weit nach vorne schauen und versuchen, das Positive in der jetzigen Situation zu sehen (Achtung: Mainstream-Aussage eines Spitzensportlers)!
Endlich finde ich mehr Zeit, die Schweizer Berge rennend zu entdecken. Erlebnisse, die während einer vollgepackten OL-Saison definitiv zu kurz kommen. Auch wenn ich nicht ganz schwindelfrei bin, behagt mir ein schmaler Grat in den Bergen mehr als die 3 Quadratmeter auf dem Laufband!
Diese Woche erhielten wir vom Nationaltrainer den Saisonplan «Version 14». Sollte dieser Plan länger bestand halten als eine Liaison zwischen dem Bachelor und seiner Auserwählten, dann darf ich mich doch noch auf ein paar tolle Trainingslager und Wettkämpfe im Herbst freuen. Ansonsten habe ich diese Saison bereits zur Genüge gelernt, flexibel zu bleiben.
Das Saisonprogramm «Version 14» bringt mich ab nächster Woche ins Engadin. Ich freue mich sehr, den Juni im Höhentrainingslager in St. Moritz zu verbringen, schöne Trail- und Velotouren zu unternehmen und wieder OL-Posten anstatt Fledermaus-Märkte zu suchen.