Es war wohl zu viel des Guten. Nach sehr guten Trainingsleistungen im Trainingslager in Norwegen Mitte Mai, versuchte ich meine Form hinsichtlich dem Weltcupstart in Finnland zu toppen. Leichte Anpassungen im Training (zum Beispiel längere Intervalleinheiten, da ich mich nicht auf einen WM-Sprint vorbereiten musste) führten dazu, dass ich die Gesamtbelastung der schnellen Einheiten erhöhte. Im Nachhinein betrachtet war mein Training wohl zu hart.
Bis zum Weltcupstart erholte ich mich nicht genügend. Ein missratener Lauf über die Mitteldistanz war die Folge. Tags darauf beim Jagdstart lief es ein wenig besser und ich konnte mich in die Top 10 vorarbeiten.
Erstaunlicherweise präsentierte ich mich dann aber bei der Sprintstaffel zwei Tage später in sehr guter Form und konnte vor prächtiger Zuschauerkulisse eine gute Ablösung laufen. Mit Rang 2 vermochten wir als Team mehr als nur zu überzeugen.
Doch bereits einen Tag später fühlte ich mich wieder ausgelaugt. Dies stresste mich, da ich verantwortlich für die letzte Strecke an der Jukola- Staffel war. Die gute Atmosphäre im Team half aber sicherlich, dass ich das Ruder im entscheidenden Moment noch rumreissen konnte.
Meine Teamkameraden lösten ihre Aufgaben während der Staffel mit Bravour. Dadurch kam ich in die privilegierte Situation, mit der Spitze in den Wald zu dürfen. Meine Gefühlsskala schwankte zwischen «sehr cool» und «das stresst mich jetzt noch mehr». Ich blieb nicht fehlerfrei und auch das Tempo von meinem ärgsten Widersacher war mir an diesem Tag ein Stück zu hoch. «Sehr cool» war es dann allemal, als ich mit dem Team auf Rang 2 einlief. Klubrekord und viele lachende Gesichter liessen mich meine Müdigkeit vergessen.
Nur einige Stunden nach meinem Zieleinlauf befand ich mich auf dem Weg in Richtung Russland an den Karelian-Isthmus Cup. Vom vier Tage-OL und der Gastfreundschaft der russischen Organisatoren war ich begeistert. Zuerst zweifelte ich, ob diese Reise nicht zu viel sein könnte und in mir den Lagerkoller auslösen könnte. Im Nachhinein war genau das Gegenteil der Fall. Es war eine Art «reset». Es fühlte sich an wie eine Woche OL-Ferien, so wie ich als Kind die Sommerferien am liebsten verbrachte!
Nach einer Woche in der Schweiz war es bereits wieder an der Zeit, den Koffer zu packen. Beim Packen unterzog ich den Koffer einer Qualitätskontrolle, so rappelvoll war er. Plante ich doch, für fünf Wochen in Norwegen und Schweden zu trainieren und Rennen zu bestreiten.
Meine geschmiedeten Pläne wurden jedoch jäh über den Haufen geworfen. Beim WM-Testlauf über die Langdistanz passierte nach gut 35 Minuten das Malheur. Mit meinem linken Fuss stand ich in eine Vertiefung und der Vorderfuss blieb dabei an einem Stein hängen. Zuerst dachte ich, das zerrende Geräusch sei das kratzen der Spikes am Felsen gewesen. Doch beim nächsten Schritt wurde mir gleich klar, dass dieses Geräusch nicht von den Spikes kam und nichts Gutes erahnen liess. Ich versuchte zuerst noch weiterzulaufen, musste mir aber bald eingestehen, dass es vorübergehend wohl die letzten Schritte im norwegischen Wald sein würden.
So endete meine geplante WM-Vorbereitung in Norwegen nach fünf Tagen anstatt nach fünf Wochen. In einem solchen Moment positiv zu bleiben ist gar nicht so einfach, wurde mir aber von allen Seiten mit auf den Weg gegeben. Hier ein Beispiel, wie ich das handhabe: Ich konnte gut 90% des Kofferinhaltes wieder ohne Waschen im Schrank verstauen, geil oder?
Zurück in der Schweiz konnte ich mich auf eine ausgezeichnete medizinische Betreuung verlassen. Arztvisite, MRI und Diagnose waren keine 12 Stunden nach meiner Ankunft in der Schweiz abgeschlossen. Die Bestätigung für meinen Reha-Aufenthalt in Magglingen erhielt ich, bevor ich überhaupt einen Platz dort beantragte und auch die extra angefertigten Spezialsohlen für die Schuhe waren einen Tag später bereits in Gebrauch. Es ist extrem motivierend für mich zu sehen, wie viele Personen sich den Allerwertesten aufreissen, nur um meine Chancen zu wahren, an der WM in alter Frische am Start zu stehen.
Die Krücken habe ich nach einer Woche auf die Seite gelegt und ich kann bereits wieder schmerzfrei gehen. Bei allem Optimismus: Mir ist bewusst, dass der Weg von schmerzfrei gehen bis hin zu rennen im norwegischen Gelände ein sehr langer ist. Geht es in gleichem Ausmass mit der Reha voran wie bisher, bin ich zuversichtlich, dass ich konkurrenzfähig an der WM am Start stehen werde.
Viel Zeit bleibt allerdings nicht mehr: Am 13. August, in genau einem Monat, findet mit der Mittelqualifikation der erste Wettkampf an der WM statt.