Ende August wars vorbei mit dem «Ich trainiere gerade was ich Lust habe»-Prinzip. Dies nicht, weil ich mich nicht spezifisch auf die Herbstsaison vorbereiten und der Spontanität keinen Platz mehr einräumen wollte, sondern weil eine Grippe meine körperlichen Aktivitäten auf ein Minimum reduzierte. Der negative Coronatest liess mein Umfeld aufatmen, doch mein Körper liess diese Nachricht kalt (oder genauer gesagt nicht abkühlen). Ganze sechs Tage wartete ich darauf, dass die Fieberkurve runter ging. An Training war nicht im Ansatz zu denken. Die Zwangspause dauerte insgesamt zehn Tage. In dieser Zeit erlebte ich, wie mein Körper vom «Rennpferd» zum «sportlichen Ackergaul» degradiert wurde.
Meine Motivation zu zeigen, dass Ackergäule durchaus kompetitiv sein können, war aber hoch. Doch würde mein Körper mitmachen?
Gerade mal vier Trainingstage mussten für die Sprint-SM ausreichen, um wieder auf Betriebstemperatur zu kommen. Der Wettkampf glückte mir ganz gut. Dazu beigetragen hat sicherlich die technisch fordernde Bahnanlage und das flache Terrain. Mit dieser 15-minütigen Belastung konnte mein Körper gut umgehen. Der Podestplatz kam überraschend und ich freute mich sehr über den dritten Rang. Die Hoffnung bestand, dass alles nur halb so wild war und ich bald wieder zu alter Stärke zurückfinden würde.
Eine Woche später wurden mir meine Limiten an der Lang-SM aber deutlich aufgezeigt. Die ersten 40 Minuten verliefen noch nach meinem Gusto. Ab dem Zeitpunkt, als mich der spätere Sieger Daniel Hubmann einholte und ich ihm auf Teufel komm raus (mit der Karte im Sack) zu folgen versuchte, wurde der Lauf zur Tortour. Im letzten Aufstieg konnte ich nicht mehr folgen und musste Abreissen lassen. So was passiert mir wirklich selten im OL…
Stolz war ich an diesem Tag über meine kämpferische Leistung. Nicht aber, dass ich im Sog von Daniel Hubmann zu Bronze lief.
Die Lang-SM zeigte mir deutlich auf, dass ich verursacht durch die Grippe einiges an Körnern verloren hatte.
Einen Versuch beim Berglaufklassier Sierre-Zinal wollte ich dennoch wagen. Ein internationales Startfeld lockte. Schliesslich gab es in dieser Saison sehr wenige Gelegenheiten, sich mit internationalen Top-Stars zu messen. Diese Gelegenheit wollte ich nicht missen. Was der gesunde Menschenverstand schon lange wusste, musste auch ich mir nach 90 Minuten Laufzeit eingestehen. Mit meiner Vorbereitung war ein gutes Resultat an diesem Tag zum Scheitern verurteilt. Anstatt an die Wand zu laufen, joggte ich die letzte Stunde nach Zinal runter. Das Positive: Erstmals konnte ich die tolle Strecke «geniessen».
Meine Gleichgültigkeit vor der letzten SM des Jahres stimmte mich im Nachhinein nachdenklich. Meine Motivation war sehr bescheiden. Der Biss fehlte, um in diesem ruppigen Gelände bei Seelisberg zu «rueche». Oft ärgert man sich über vierte Ränge. An diesem Tag machte mir das nichts aus. Mit der für mich ungewohnt schwachen Form sank auch meine Motivation, nochmals etwas zu reissen zu wollen zum nationalen Saisonende.
Dafür durfte ich privat viele schöne Emotionen erleben. Sarina und ich am 17. September zivil geheiratet. Ich schätze mich enorm glücklich, Sarina an meiner Seite zu haben und mit ihr auch in Zukunft viele Abenteuer in Angriff zu nehmen. Eines dieser Abenteuer wird unser kommendes Hochzeitsfest sein. Darauf freuen wir uns bereits das ganze Jahr!