Drei Sekunden für ein Halleluja

Ich freue mich, euch zu meinem neusten Homepagebericht herzlich begrüssen zu dürfen! Wisst ihr, wie lange ihr diesen Bericht schon am Lesen seid? Richtig geraten, genau jetzt werden es drei Sekunden sein!

Drei Sekunden. Diese Zahl verfolgt mich in meinen Albträumen. Letztes Jahr am WM- Sprint war mein Bruder drei Sekunden vor mir über der Ziellinie. Das wird mir bis zu meinem Lebensende Sprüche bescheren. Dieses Jahr verlor ich wiederum 3 Sekunden auf die Bronzemedaille bei einer Laufzeit von 90 Minuten. 3 Sekunden zu langsam für Bronze. Es tat richtig weh, insbesondere da es sich um die Langdistanz handelte. Die Disziplin, in der ich bisher noch keine WM-Medaille gewonnen habe.

Aber alles der Reihe nach.

Ich reiste sehr unsicher über meinen Formstand an die WM. Bei meinem letzten Test an der Swiss-O-Week in Gstaad verlor ich knapp 5 Minuten auf die Bestzeit bei einer Stunde Laufzeit. Zu diesem Zeitpunkt zweifelte ich stark daran, ob es eine sinnvolle Idee war, mich überhaupt für einen Start über die Langdistanz zu entscheiden. Die letzten Tage in Norwegen gaben mir auch nicht den gewünschten Boost und so war ich vor meinem Start über die Mittelqualifikation doch ziemlich nervös.
Zum Glück traf ein, was ich mir erhoffte. Das Adrenalin kam zur rechten Zeit und der Fuss belastete mich während dem Lauf nicht im Geringsten. Im Ziel war ich richtig überrascht, dass ich mit Bestzeit einlaufen konnte. Fünf Wochen nach dem Misstritt, fand ich mich zuoberst auf der Rangliste der WM-Quali. Einen Moment lang überlegte ich mir, was wohl gewesen wäre, hätte ich eine optimale Vorbereitung gehabt… Diese Arroganz setzte sich nicht lange im Kopf fest (fühlte sich nach 5 Wochen Bibbern und Bangen um die WM aber recht cool an), standen doch 98 Minuten OL am folgenden Tag an. 98 Minuten lang war ich sieben Wochen vor der WM das letzte Mal am Stück gelaufen. Zweckoptimismus war am Vorabend des Wettkampfes also angesagt!

Dass am Ende dann nur diese drei Sekündli fehlten zur Medaille, war sicherlich auch der Bahnanlage zu verdanken. Die vielen Umlaufrouten kamen mir entgegen. Klar gab es den einen oder anderen Zeitverlust, aber viel vorzuwerfen hatte ich mir im Ziel nicht. Die Enttäuschung war mir im ersten Moment ins Gesicht geschrieben. Ich rede selten davon, dass ich über eine Leistung stolz bin. Aber dieses Mal war es der Fall. Vielleicht half mir genau dies ein wenig über die Enttäuschung hinweg!

Trotzdem, nach der ganzen Vorgeschichte auch noch das Sekundenpech erfahren zu müssen, war hart. Anstatt Bronze blieb zum zwölften Mal an einer WM nur der Gang aufs kleine Treppchen (Ränge 4-6).
In den Medien wird ständig über Rekorde der Sieger berichtet. Ich möchte nun einen Rekord verkünden, der aus meiner Sicht auch etwas Aufmerksamkeit verdient hat: Vermutlich bin ich der erste Athlet, der in allen WM- Disziplinen (Sprint 2017, Mittel 2013 und 2018, Lang 2019, Staffel 2013 und Sprintstaffel 2015) mindestens einmal den vierten Rang belegt hat!

Nach diesen ersten beiden Rennen war ich optimistisch für die Mitteldistanz! Als ich beim Einlaufen dann auch noch die zwischenzeitliche Führung meines Bruders vernahm und dann den Führungswechsel durch Florian Howald, war ich so etwas von bereit! Dachte ich…
Der Start war allemal vielversprechend und nach einer guten Viertelstunde war ich in Tuchfühlung um die Medaillen.
Doch zu Posten fünf verknackste ich mir wieder meinen Fuss. Ich wusste sofort, dass dies nun nicht ganz einfach werden würde. Vom Schmerz her konnte ich weiterlaufen. Es gab natürlich Momente, da zwickte es im Fuss und der Schmerz ging durch Mark und Bein. Vielmehr aber verlor ich den Kampf im Kopf. Die Konzentration war schlagartig verschwunden und der Erfolgshunger auf ein Minimum gesunken. Ich konnte mich nicht einmal mehr motivieren, als der Speaker bei der Zuschauerpassage verkündete, dass ich etwa gleichauf mit meinem Bruder lag. Und das sagt einiges aus… Als ich kurz darauf einen groben Fehler machte und mir der Kameramann auf Schritt und Tritt folgte war mir das unmittelbare Finden des Postens so etwas von egal! Ich wusste es, die WM war vorbei und das Resultat (Rang 18) würde für mich zur Nebensache werden.

Für die Staffel am folgenden Tag räumte ich meinen Platz. Es war der erste internationale Lauf, den ich aufgrund einer Verletzung verpasste und in die Rolle des Zuschauers schlüpfte. Einen internationalen Lauf in neun Jahren Spitzensport zu verpassen, ist aber eine ganz akzeptable Quote.

Die WM endete für mich somit ohne Happy End. Ich wusste, dass ich mich mit der Fussverletzung am Limit bewege und habe dieses Risiko in Kauf genommen. Ich möchte nicht sagen, es hat sich nicht ausbezahlt. Der Lohn war einfach eher mager…
Nein, ganz ehrlich: Es war eine spannende Erfahrung, die ich nicht im Geringsten bereue!

Doch nun versuche ich ein wenig vernünftiger zu sein und mich nicht so am Limit zu bewegen wie noch vor der WM. Die Regeneration des Fusses hat momentan oberste Priorität.
Daher habe ich mich mit meinem Umfeld entschieden, auf die kommenden Schweizermeisterschaften (Sprint und Langdistanz) zu verzichten.

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